
Ort und Kirchenburg
Am Reichesdorfer Bach, der Flussabwärts Birthälmer Bach genannt wird, ein südlichen Zufluss der Großen Kokel entstand Reichesdorf. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1283. Mit seine Gräfen spielte die Gemeinde eine besondere Rolle bereits im Mittelalter. Bevor Reichesdorf zu einer der wohlhabendsten Gemeinden des Mediascher Stuhls wurde, war die Gegend rund um die Siedlung naturbelassen und sumpfig. In Erinnerung diese Zeiten wurde das Ortswappen gestaltet. Es zeigt einen Reiher in einem Gewässer. Über dem See öffnet sich ein roter Himmel, der vom Morgenstern dominiert wird. 1532 zählte Reichesdorf 152 Hauswirte. Dem Weinbau verdankt die Gemeinde ihren Reichtum. Ursprünglich prägten Mönche die frühmittelalterliche Zeit im Ort. Nach dem Übergang zur Reformation wurden diese vertrieben. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Gemeinde zum Markt erhoben, erhält eine eigene Gerichtsbarkeit und beginnt mit Birthälm zu wetteifern. Im 18. Jahrhundert erleidet Reichesdorf einen wirtschaftlichen Rückgang durch mehrere Großbrände und kriegerische Ereignisse. Die Reblaus wütete insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was viele Ortsbewohner bewog, nach Amerika oder Australien auszuwandern. Im Jahr 1850 lebten in Reichesdorf 1.206 Einwohner. 1930 waren es 1.262, davon 870 Deutsche, 273 Rumänen, 17 Ungarn, 101 Roma und ein Sonstiger.
Kirchenburg
Die evangelische Kirche in Reichesdorf hat einige bemerkenswerte Besonderheiten, durch die sie sich von anderen in der siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft abhebt. Über eine lange Zeit wurde die Kirche von einem Mönchsorden genutzt. Zur Zeit der Reformation wurden die Mönche von den Dorfbewohnern vertrieben und die Kirche ging in den Besitz der Gemeinde über. Die im 14. Jahrhundert errichtete dreischiffige Basilika ohne Turm war ursprünglich von einem Bering mit zwei Wehrtürmen samt Wehrgang umgeben. Die südliche Wehrmauer fiel weitgehend dem Neubau der Schule und Gemeindesaal zum Opfer.
Evangelische Kirche
Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die turmlose gotische Basilika mit überaus hohem Chor mit Seitenkapellen und Mittelschiff. Über drei Portale erreicht man den Innenraum. Ein Treppentürmchen auf der Südwestseite ermöglicht den Zugang zu den drei übereinander liegenden Emporen. Der Sakralbau selber war nie befestigt.
Evangelische Kirche
Was sie heutzutage von anderen Dorfkirchen unterscheidet, ist die reiche Ornamentik und Bauplastik: das Portal im Westen, die von Säulen und Pilastern mit Kapitellen getragenen Rippen der Gewölbe, die mit Masken versehenen Gewölbescheitel und die verschiedenartig dekorierten Maßwerkfenster. Der doppelte Triumphbogen ist ein Anzeichen dafür, dass hier ursprünglich der Bau eines Turms geplant war. Die beiden Schlusssteine auf dem Hauptchorgewölbe tragen das Abbild Christi sowie einen Pelikan. Im Jahr 1775 wurde in der Kirche der Altar durch den Schäßburger Johann Folbarth errichtet. Eine neue Orgel baute 1788 Daniel Prause.
Westportal
In einem Risalit vorgelagert, schlanken Fialen flankiert befindet sich das Westportal mit seinen reich profilierten Gewänden. Die Kapitelle trage feines Laubwerk. Im Tympanon hat sich leider eine stark beschädigte Kreuzigungsgruppe erhalten. Umringt von Engeln begleiten Jesus am Kreuz links Maria Magdalena, gefolgt von Johannes, der die Gottesmutter stützt und rechts zwei Reiter.
Führung mit Kurator Johann Schaas
Neben diesen Kunstwerken ist die Kirche mit zahlreichen weiteren Skulpturen verziert, welche vom Kurator Johann Schaas in seinen Führungen neben anderen Besonderheiten sehr lebendig beschrieben werden.
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Text: M. Rill, Fotos: G. Gerster, M. Rill, A. Kloos